Madz

Published on Sep 4, 2022

Gay

Madz I Chapter 11

Madz

Buch 1 „Nur raus hier!"

von

Ruwen Rouhs

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Wichtig: Die Geschichte erzählt von Madz, seinen Freunden, Lehrern und Bekannten und von altersspezifischen Interaktionen innerhalb der Gruppen gleichen Alters. Die Geschichte ist in der Sprache geschrieben, wie sie die Hauptfigur und Haupterzähler Magnus Felden, genannt Madz, in der Schule, auf der Straße und beim Spielen von andern Gleichaltrigen gehört hat. Vereinzelt wird auch der lokale Dialekt des niederfränkisch-hohenlohische Gebiets verwendet in der „Madz" spielt. Alle Charaktere, Ereignisse und Schauplätze sind fiktiv, basieren jedoch auf realen Vorbildern.

11

Das Buch von der Reise um die Welt

Auf meinem Platz in der vierten Bankreihe der Burgkapelle vertiefte ich mich in das Bild über dem Altar. Warum nur lächelte der junge Mann seine Verfolger nur an? Die hatten ihn mit dicken Stricken an eine Eiche gefesselt und bedrohten ihn. Einer zielte mit seiner Armbrust auf ihn und die andern drei hatten ihre Armbrustbolzen schon abgeschossen. Einer der Bolzen steckte in seiner Brust, ein anderer dort wo seine Leber sein könnte und ein dritter im linken Oberschenkel. Ihre Waffen und Helme wiesen die Verfolger als Soldaten aus aber ihre Gesichter mit den abgebrochenen Zähnen und den Narben erinnerten mich sofort an Räuber. Hatte Veit und seine Mannen auch so ausgesehen?

Ich erschrak hoch, als Anders sich plötzlich neben mich in die Bank drückte. „Was hat der Kaplan Dir denn als Buße aufgegeben?" flüsterte er mir zu. „Mir hat er aufgetragen darüber nachzudenken, ob ich Dich wirklich mag. Wenn nicht, dann war das, was wir heute Morgen im Bett gemacht hätten, eine Sünde und ich müsste Dir Abbitte leisten." Anders rutsche unsicher hin und her. „Glaubst Du, dass ich Dich mag? Ich habe bis jetzt gar noch nicht darüber nachgedacht." „Mich hat er das auch gefragt. Als ich ihm die Gegenfrage stellte, warum er unsicher ist, dass wir uns mögen, meinte er nur wir würden uns ja erst seit einem halben Tag kennen und Du seist zwei Jahre älter!" Als Anders nicht antwortete, drehe ich den Kopf und versuchte ihm in die Augen zu schauen, „Ich mag Dich und das was ich mit dir gemacht hab, hab ich getan, weil ich dich mag. Ich hab's nicht nur zum Spaß gemacht!"

„Ich glaub bei mir war's auch so. Ich habe bloß davor nie über so etwas nachgedacht. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich wirklich jemand mag. Ich mag meinen Halbbruder Alies auch, jedoch irgendwie mag ich Dich anders. Ich mag ihn halt wie meinen Bruder. Aber Dich? Dich habe ich richtig gern. Ich würde dich am Liebsten immer im Arm halten, so wie man ein Bobäle im Arm hält." Anders überlegte noch einen Moment, dann bat er, „Darf ich Dich Bobäle nennen, wenn wir allein sind? Ich sag's auch niemand, dass du mein Bobäle bist!" Da die Glocke gerade jetzt den Beginn der Abendmesse ankündigte, rückten wir noch enger zusammen und verhielten uns bis zum Ende des Gottesdienstes vorbildlich.

#######

Aus dem Vorraum der Kapelle führten 16 Stufen in die Krypta hinab. Diese war erst vor kurzer Zeit renoviert worden. Bei diesem Anlass waren die Sarkophage sorgfältig vom Staub der Jahrhunderte befreit, die Grabplatten gereinigt, die rings an den Wänden angebracht waren und die Wände frisch gekalkt worden.

Die Grabplatten, auf denen Ritter in Rüstung oder Mönche im Habit dargestellt waren, hoben sich jetzt grau von der weißen Wand ab. Sie reichten vom Boden fast bis zur Decke und ließen zwischen sich nur wenig von den weißgekalkten Feldsteinen sehen, aus denen die Wand der Krypta bestand. Die Wand, die dem Kerker gegenüber lag und in der wir das geheimnisvolle Zeichen aus den drei Steinen vermuteten, war fast vollständig von den Grabplatten bedeckt. Anders und ich begannen sofort die Stellen der Wand abzusuchen, die frei zugänglich waren. Zunächst fanden wir nichts, was an das Zeichen mit den hochkant stehenden Stein und die beiden Kugeln erinnerte. Dann fiel mir eine kugelförmige Erhebung auf, den ziemlich nahe neben einer Grabplatte aus der Wand herausragte. Gleich daneben, halb von der Grabplatte verdeckt, konnte ich einen hochkant stehenden Stein sehen. „Schau Anders, das ist ein runder und ein hochkant stehender Stein genau wie im Kerker. Glaubst Du was ich glaube?" Anders untersuchte sofort den hochkant stehenden Stein, der von der Grabplatte halb verdeckt war. „Ich glaube, das ist das Zeichen, aber wir können die Grabplatte ja nicht abheben, um sicher zu sein. Schade!"

„Macht nichts! Ich habe ganz dünne Finger, die kann ich in den Spalt zwischen Grabplatte und Wand schieben und tasten, wie breit der Stein ist." Nach einigen Versuchen gelang es mir die Finger der rechten Hand soweit hinter die Grabplatte zu schieben, dass ich den Rand des schmalen Steines ertasten konnte. „Ich hab's, der Stein ist wirklich schmal." dann drehte ich mich zu Paul und Carlo. „Kommt, hier ist das Zeichen wieder! Hier in der Krypta müsste der Gang auch weitergehen!"

„Lasst uns die anderen drei Seiten absuchen, ob dort das Zeichen wieder auftaucht, wenn ja, dann könnte der Tunnel von hier aus weiter in Dorf oder ins Tal führen." "An der Südwand kann ich nichts finden." rief Paul nach einer Weile, „Wir auch nicht!" antworteten Anders und ich fast gleichzeitig und Carlo ergänzte, „Die haben den Fußboden so gut mit Fließen abgedeckt, dass wir erst alle herausschlagen müssten, wenn wir den Tunnel finden wollten. Wenn der Eingang unter den Steinsarkophagen verborgen wäre, können wir ihn auch nicht finden. Die Särge sind viel zu schwer zum Hochheben."

Als wir die Treppe aus der Gruft wieder hinaufstiegen, ließ Anders den Kopf hängen. Der Kaplan legte ihm den Arm über die Schultern. „Komm sei nicht traurig. Wir haben immer noch eine Alternative, den Weinkeller. Ich versprech Dir, dass ich den Schlüssel besorge, sobald ich zur Traube komme. Der Wirt verwaltet die Schlüssel."

#######

Im Garten vor dem Burggebäude wartete bereits ein frisch geduschter aber müder Alies auf uns. „Wie habt ihr gespielt?" war Anders` erste Frage. „Unentschieden! 2 zu 2." sagte der mit hängendem Kopf. „Ist doch nicht schlimm. Wenigstens nicht verloren, sonst verliert ihr ja immer wenn ich nicht an der Linie stehe." „Ja, ich weiß Brüderchen, Du lenkst das Spiel von außen. Wenn Du dabei bist, gewinnen wir immer, mindestens jedes zweite Mal." Alies lachte nun wieder, „Aber Du hast sicher Veits Schatz gefunden und jetzt brauch ich nicht mehr arbeiten!"

Anders und ich erzählten nun haarklein von unserem Misserfolg und am Ende schimpften wir auf die Gemeinde, die die Renovierung der Kapelle in Auftrag gegeben hatte. Aber da war ja noch der Weinkeller. Als wir den erwähnten schlug Alies vor, den heute noch zu besichtigen.

Als Carlo fragte, „Wie willst Du denn ohne Schlüssel reinkommen?" holte Alies ein Bündel Dietriche aus dem Auto, „Die hab ich immer mit. Wie oft glaubt ihr, werde ich angerufen, wenn sich jemand ausgesperrt oder seine Schlüssel verlegt hat. Ein Techniker und Unternehmer wir ich muss alles können!"

Nach dem Essen, zu dem auch Alies eingeladen war, konnte es Anders nicht mehr aushalten und stürmte um das Haus herum zur Hinterseite des Burggemäuers, wo der sich Kellereingang befand. Zum hölzernen Kellertor führten einige Stufen hinunter. Anders nahm sie so schnell, dass er sich die Nase an der rostroten Tür blutig stieß. „Au!" schrie er, „Die Tür wehrt sich!" Alies, der hinter ihm hergestolpert kam, tröstete ihn, „Das Blut sieht man auf der Tür nicht, das gibt nur einen roten Fleck auf einem roten Tor!"

Im schwachen Licht einer Taschenlampe musste Alies fast alle Dietriche durchprobieren, bevor der Riegel des uralten Schlosses zurücksprang. Von der großen Kellertür führte eine lange steile Steintreppe hinunter ins Dunkel bis zur Sohle des Keller. Kalte, feuchte Luft wehte den Fünf entgegen und die einen schwachen Duft nach Wein und Essig mit sich trug. Die drei Lampen, die an dünnen Kabeln von der gewölbten Decke hingen, konnten den riesigen Raum nicht ausleuchten und die Umrisse der Fässer, die beiderseits des Mittelgangs standen, waren nur schattenhaft sichtbar. Die Täfelchen auf Fässern, die Auskunft über ihren Inhalt gaben, waren in dem schwachen Licht nicht lesbar.

Hinter den Fässern herrschte undurchdringliche Dunkelheit. Mit unseren Taschenlampen suchten Anders und ich zuerst die Wand ab, die dem Verlies unter dem Bergfried am nächsten war. Auf Anhieb entdeckten wir in der rauen Mauer aus Feldsteinen nichts, was dem kopfstehenden Kreuzsymbol in Kerker und Krypta ähnelte. Wir fanden auch nichts, als Alies einen Scheinwerfer aus seinem Auto brachte, der den Raum besser erleuchtete. Leicht enttäuscht begannen Anders, sein Bruder sowie Carlo und Paul auch die anderen Wände des riesigen Kellers abzusuchen. „Nichts, nichts, wieder nichts!" riefen sie alle paar Minuten.

Ich dagegen machte mich in der tiefen Nische neben der Treppe zu schaffen. Dort schien es noch kühler, noch dunkler, noch feuchter zu sein als im übrige Kellerraum. Zuerst leuchtete ich die Wände der Nische sorgfältig ab, aber auch hier war das Zeichen nicht zu entdecken. Schon wollte ich zurück zu den Andern, als ich fast über einen breiten Bottich gestolpert wäre, der mit Müll gefüllt war. Mein Sammeltrieb erwachte sofort und ich begann zwischen dem weggeworfenen Sachen herumzuwühlen. Das war gar nicht so einfach, da ich die Taschenlampe nicht weglegen konnten. Erst wühlte ich nur mit einer Hand zwischen Gegenständen. Dann klemmte ich mir die Lampe zwische die Zähne und hatte nun beide Hände frei. Jetzt fiel es mir leichter einzelne Gegenstände heraus zu fischen. Die Fassdauben und die verrosteten Fassreifen, die zuoberst lagen, räumte ich zuerst weg. Dann kamen zerbrochene Weinflaschen, die zwischen Steinbrocken und feuchtem Mörtel steckte. Ich war froh, dass ich mich nicht an den Scherben schnitt. In der nächsten Schicht fand ich einen Hammerstiel, aber nicht den Hammerkopf selbst. Daneben zog ich alte Flaschenkorken, schmierige Lappen und krumme Nägel heraus. Alles war feucht und steckte wahrscheinlich schon lange im Bottich. Ich wollte schon aufgeben, als ich zwischen den Lappen ein Zeitungsbündel entdeckte. Im Halbdunkel konnte ich die Schrift nicht entziffern und zerrte daher aus dem Bottich heraus. Das Zeitungsbündel war mit einer dicken Kordel verschnürt. Die Schrift auf den vermoderten Blättern kam mir seltsam vor. Zum Glück erinnerte ich mich an die alter Gebetbücher, die ich in Gondersdorf in einer verlassenen Scheune gefunden hatte. Diese Gebetbücher waren aus dem vorvergangenem Jahrhundert gewesen. Die Zeitungen mussten daher ähnlich alt sein.

Die verknotete Kordel ließ sich nicht lösen, also schnitt ich sie einfach durch. Als ich die Zeitungen auseinander zog, fand ich darin ein schmales, etwa buchgroßes Päckchen, das in Wachsleinwand eingeschlagen war. Der Schatz, war mein erster Gedanke, dann überlegte ich, der von Veit Scharpf konnte er nicht sein. Um Goldmünzen konnte es sich auch nicht handeln. Das Päckchen war zwar schwer, aber nicht so schwer, dass es sich um Gold- oder Silbermünzen handeln könnte. Eher ein Buch? Ein altes Buch? Ein wertvolles Buch? Ich schaute mir die oberste Zeitung des Bündel nochmals genauer an und versuchte die Überschrift des ersten Artikel zu lesen. Nach einem Moment gelang es mir, sie zu entziffern. Da stand „Kurze Nachricht von dem Seezuge des Grafen Hallbergis, seit seiner Abreise von Ascalon."

„Sofort wusste ich, dass ich das Päckchen genauer untersuchen musste. Ich musste es also einstecken, wenn ich nicht wollte, das mir Paul oder Carlo verbieten würden, es mit zu nehmen. Das konnte ich nicht zulassen. Ich musste unbedingt erfahren, was da im Ölpapier eingewickelt war. Gewissensbisse hatte ich dabei nicht, denn wenn es jemand in den Müll geworfen war, dann gehörte es dem Finder. Also gehört es mir! Schnell schob ich das kalte Päckchen unter mein Hemd.

Zum Glück trommelte uns Carlo schon zum Herausgehen zusammen. Da ich nicht kam, rief er zurück, „Beeil Dich Madz oder wir lassen Dich im Dunklen und da kannst Du verhungern!" „Ich komme ja schon, ich mach die Tür auch zu!" rief ich zurück und war froh, als die andern schnell ums Haus zu Carlos Wohnung liefen.

Vor Aufregung kribbelte es mich überall. War es mein schlechtes Gewissen oder hatte ich mit dem Päckchen Spinnen oder Asseln unter mein Hemd gesteckt. Jedenfalls musste ich das Päckchen schnell los werden. Zurück im Haus rannte ich daher schnell die Treppe hoch in mein Zimmer, riss den Rucksack auf und versteckte meinen Fund darin.

#######

Als wir beim Abendessen die Erlebnisse des Tags besprachen, platzte es mir heraus. „Wo ist eigentlich Ascalon?"

„Ascalon?" fragte Paul zurück, „Woher hast Du den Namen, Madz. Heute heißt die Hafenstadt Aschkelon. Sie liegt in Israel am Mittelmeer und ist uralt. Während der Kreuzzüge landeten dort die Kreuzritter, heute ist's eine verschlafene Hafenstadt! Ich war nicht einmal da, als wir das Heilige Land besuchten!"„Du warst also schon in Israel in Jerusalem, in Bethlehem und so. Mit wem warst Du da, mit Castor!"„Mit ihm natürlich. Ich kann doch nicht ohne meinem Castor auf eine so gefährliche Reise gehen!"

Daraus wurde eine längere Schilderung der Reiseerlebnisse, die erst endete als Anders und ich zu gähnen begannen. „Seid Ihr nicht satt geworden? Ich kann euch ja bis in den Magen schauen." stellte Carlo fest und fragte dann, „Frisst Anders immer so viel, Alies!" Der grinste nur, „Ich habe schon überlegt, ob ich heiraten soll, damit ich nicht jeden Tag solange am Herd stehen muss!" „S`Babettle oder s`Bärbelle? Die sind beide hübsch und weich! Stimmt`s?" dabei zwinkerte Paul Alies zu. „Von beiden würde ich einen Korb bekommen, wenn ich das als Grund für die Heirat erwähnen würde! Außerdem ist Anders strikt gegen meine Heirat! Als ich das einmal vorschlug, hat er gleich gefragt und wer macht dann dann Löffelchen mit mir, wenn ich im Bett friere?" Dabei wurde Alies plötzlich rot und schaute zu Boden! Anders grinste nur, „Die kann er zum Glück nicht heiraten, die sind unsere Cousinen!"

Nachdem wir uns müde nach oben in der Kammer geschleppt hatten, kündigte Anders plötzlich an, „Ich muss uff`s Abee." Als ich ihn fragend ansah, „Ich muss uff`s Glo, s`Scheißhaus, Bobäle! Weißt Du nicht was ein Abee ist!" „Ne, ich kenn nur das A, B, C, und kein Abee. Aber wisch Dir nachher den Po gut ab, am besten mit Wasser! Wir schlafen in einem Bett und wehe Du stinkst!" Bevor Anders nach draußen verschwand, steckte er mir die Zunge heraus, „Du machst das nachher gefälligst aber auch, vielleicht schlafen wir ja auch net nur!"

Während Anders sich zum Klo herunter schlich, wickelte ich schnell meinen Fund auf. Erst knotete ich mit Mühe die feine Kordel auf, mit dem das Ölpapier verschnürt war. Die Ölleinwand war so brüchig, dass sie beim Abwickeln fast zerriss. Dann mussten noch drei Lagen Zeitungspapier abgewickelt werden, die den Inhalt des Päckchens wohl trocken halten sollten. Dann folgte nochmals Ölleinwand. Der Inhalt des Päckchens war also gut vor Feuchtigkeit gesichert. Jetzt hatte ich es fast geschafft.

Die schmalen Papierbögen wollte ich nicht fortwerfen und faltete sie daher vorsichtig zusammen. Dabei fiel mein Blick auf das Titelblatt der Zeitung. Es stellte einen Reiter mit Horn auf einem galoppierenden Pferd dar. In der obersten Zeile stand links vom Reiter „N°. 1" und rechts „1780" . Die Zeitung war also über 230 Jahre alt. Unter der Eins stand „Hallberger" und unter der Jahreszahl „Zeitung". Darunter wiederum links „Samstage" und rechts „den 15. Feber".

Jetzt, als es spannend wurde, hörte ich Anders die Treppe heraufkommen und kam daher gerade noch dazu, die Ölleinwand, die alten Zeitungen und das, was darin eingewickelt gewesen war, in den Rucksack zurückzuschieben. Schon huschte Anders durch die Tür herein, die leise in den Angeln quietschte. „Du musst nicht leise sein, die schwätzen und lachen unten. Die hör`n uns bestimmt nicht. Alies ist auch noch da. Ich wusste gar nicht, dass es meinem Bruder so Spaß macht mit meinem Kaplan und deinem Lehrer zu schwätzen." Ich nickte und stürzte zur Tür, da ich auch dringend musste. „Beeil Dich!" rief mir Anders nach, „Wir haben doch noch viel vor, bevor die" dabei zeigte er auf das Nebenzimmer ins Bett gehen. „Je früher Du wieder oben bist Bobäle, desto lauter können wir sein!" Dabei zog er sich die Unterhose aus und sprang nackt ins Bett.

Als ich die Holztreppe herunter schlich, knarrte eine der Stufen und alle drei Köpfe fuhren herum. „Du bist ja schon ausgezogen, demnach bist du zum Schlafen fertig." rief Alies, „Wenn Du rauf gehst, bestell Anders, das es Zeit zum heimgehen ist!" Ich musste schlucken, „Der wollte doch bei mir bleiben, ich schlaf nicht gern allein. Gestern durfte er`s doch auch. Darf er heute nicht bleiben?" dabei machte ich mein schönstes Hundebabygesicht, „Bitte Alies, morgen muss ich doch wieder nach hause und dann hast Du ihn wieder für Dich allein!"

Alies blickte von Carlo zu Paul und wieder zurück, „Was ist denn in meinen kleinen Bruder gefahren. So kenn ich den gar nicht. Sonst will er immer zuhause schlafen!" Als die beiden andern ihn nur angrinsten, „Geht der am Ende fremd? Hat's ihn Madz so angetan? Wenn Du nichts dagegen hast Kaplan, dann darf er bleiben."

Ich huschte schnell ins Bad, als ich den Kaplan zustimmend nicken sah und in weniger als fünf Minuten war ich von Kopf bis Fuß gewaschen, selbst dort, wo ich mich sonst nicht jeden Tag wusch, fuhr ich mit dem Waschlappen hin.

Zurück im Zimmer kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Anders hatte die Zimmerlampe gelöscht und nur die Nachttischlampe angelassen. Aus dem Oberbett hatte er ein Nest geformt und lag wie kleines Baby mit angezogenen Armen und Beinen in der Mulde. Ich fürchtete das Schlimmste, hüpfte aufs Bett und legte ihm den Kopf auf die Brust um zu hören, ob der noch atmet. Darauf hatte der nur gewartet. Er drehte sich schnell auf den Rücken, zog mich auf sich und drückte mich ganz fest. „Magst Du mich wirklich so, Madz, wie Du das heute in Kirche zu mir gesagt hast? Magst Du mich, wie`s Du dem Kaplan gebeichtet hast?" Ich konnte nur nicken und gestand Anders, „Dich mag ich mehr als alle, die ich bisher gemocht habe. Ich mag Dich ganz, ganz gern. Glaubst Du, dass das Liebe ist?" „Bobäle, Bobäle, mir geht's auch so. Ich glaub es ist Liebe, wenn`s so was zwischen zwei wie uns schon gibt. Es war so schön heut, weil wir alles zusammen machen konnten. Kannst Du nicht hier bleiben in Stadt Hallberg? Alies und ich haben genug Platz für Dich oder Du kannst hier bei Carlo wohnen und ich komm Dich jeden Tag besuchen."

Erst wusste ich nicht was ich antworten sollte. Aber dann fiel mir die richtige Antwort ein. Ich küsste Anders auf den Mund, was ich noch nie bei einem Jungen getan hatte. Anders war zu erst erstaunt, küsste aber dann zurück. Aus der kurzen Berührung unserer Lippen wurde ein langer Kuss, dann ein zweiter und ein dritter. Als Anders wieder Luft bekam, sagte er nur „Bobäle, Bobäle!"

#######

Der kühle Abendwind, der durchs offenen Fester drang, scheuchte uns bald unter die Decke. Angekuschelt an Anders fiel mir plötzlich etwas furchtbares, etwas unverzeihliches ein. Ich hatte Anders ja noch gar nichts von dem geheimnisvollen Fund erzählt, ja ich hatte ihm sogar den Fund verheimlichen wollen! Einem Freund verheimlicht man doch nichts! Wir waren doch jetzt Freunde, bestimmt enger befreundet, als ich es jemals mit einem anderen gewesen war. Ich musste ihm von meinem Fund erzählen. Schließlich hatte ich das Päckchen auf der Jagd nach Veits Schatz entdeckt.

Ich setzte mich auf, „Du Anders, verzeihst Du mir wenn ich Dir was verheimlicht habe? Etwas was Du unbedingt wissen musst! Ich. Ich ..." begann ich stotternd. Anders drehte sich neugierig zu mir, „Willst Du mir etwa erzähl`n, das du einen anderen Freund hast? Das zählt nicht! Es zählt nur, was seit gestern Nachmittag geschehen ist!" „Es ist aber heute geschehen und ich will es gutmachen." Dann begann ich vom Fund im Weinkeller zu erzählen. Wie ich das Päckchen ins Zimmer gebracht und dort begonnen hatte, das Päckchen auszupacken, während er im Abee war. „Und nun habe ich's im Rucksack. Wir packen's zusammen aus und wenn Dir gefällt was drin ist, darfst Du behalten."

Anders kriegte während meiner Schilderung große Augen, dann schluckte er, „Vielleicht hät ich's Dir ja auch nicht gesagt und das Päckchen einfach behalten. Schließlich haben wir ja nicht danach gesucht, sondern nach dem Geheimgang und dem Schatz von Veit Scharpf!" Dann stieß er mich in die Seite, „Zeig schon, ich bin neugierig!"

Zunächst breitete ich die alte Zeitung auf dem Bett aus und da Anders die Frakturschrift nur ganz langsam entziffern konnte, las ich ihm den Anfang des Reiseberichts über Graf Asburgis vor. Dann machten wir uns gemeinsam dran, die Ölleinwand des inneren Päckchens aufzuwickeln. Das ging nicht so einfach, da das Gewebe oftmals gefaltet und steif vor Alter war.

Plötzlich lag ein Buch vor uns, ein Buch mit einem geprägten Einband aus braunen Leder. Es war etwa eine Handspanne hoch und eine halbe Spanne breit. Der Buchrücken hatte sich teilweise gelöst und platzte auf einer Seite ab, als ich das Buch aufklappte. Die Seiten waren vergilt, fast schon braun. Auf der ersten Seite war ein unleserlicher Name gekritzelt. Auf der nächsten Seite stand eine ganze Geschichte, anstatt des Buchtitels und des Namens des Autors, wie ich das von meinen Büchern kannte. Im Licht der Deckenlampe hatte ich Mühe, die in rot und schwarz gedruckten Worte zu entziffern.

Während ich mich noch mit der ersten Zeile abmühte, deutet Anders unten auf die Seite

„Madz, hier ist eine Jahreszahl? 1692 steht da. Das Buch ist also..." er zählte im Kopf durch „über 300 Jahre alt!" rief er triumphierend. „Du hast was ganz Tolles gefunden, ein Buch das fast 30mal älter ist als Du!" Als Anders das Buch anfassen wollte, rief ich erschrocken, „Nicht mit den Finger berühren, nur drauf deuten, Anders, bedenkt doch wie alt es ist!"

Langsam begann ich zu lesen, Wort für Wort:

**„**Des vortrefflichen und Welt erfahrenen

auch hoch- und weit-berühmten

Herrn Doctoris

und

Engellaendischen Ritters

Johannis

de Montevilla".

Bis her hatte ich`s verstanden, „Engländisch" hieß wohl „englisch" und Johannis de Montevilla, ist wohl der Name des Ritters. Das nächste Wort jedoch kannte ich nicht, „curieuse? Was soll das wieder heißen curieuse?" Dann fiel`s mir ein „Das muss kurios heißen, also wundersam, seltsam oder so ähnlich!

curieuse

Reisz-Beschreibung**/**

Ich schüttelte den Kopf. „Anders, Du könntest auch mal ein paar Worte entziffern, Du bis älter und gehst schon aufs Gymnasium." Der wehrte ab, „Oh, bitte mach`s Du Madz, ich bin vielleicht älter, aber du bist schlauer in so alten Dingen!" „Also gut." nickte ich, denn ich wollte keine Zeit vergeuden. „Hier steht weiter:"

W****ie derselbe ins gelobte Land / Pa-

laestinam, Jerusalem / Egypten/ Turckey/

Judeam, Indien/ Chinam, Persien**/**

und Anderse

nah und fern an- und abgelegene Koenigreiche

und Provintzen/ zu Wasser und Land/ gekom=

men/ und fast den ganzen Erd- und Welt-Kraiss****ß

durchzogen seye."

„Mann Anders! Der Ritter hat damals schon die gesamte Welt gesehen! Vor so vielen Jahren schon!" „ Der hat das Buch sogar selbst geschrieben, steht da!" erkläre ich.

**„**Von Ihme selbst in Latein- und Fran

zoesischer Sprach beschrieben;

Nunmehr

allen Teutschen Reych - und vielen Landen

auch dero Sitt- und Manieren Liebhabern

zu guten uebersetzet.

Ehmals gedruckt zu Coeln

Jetzt von Neuem aufgelegt / vermehrt unf

verbessert auch mit Registern versehn

Im Jahr 1692

Das Lesen des altertümlichen Deutschs hatte mich total erschöpft. Ich schloss die Augen und stöhnte, „Noch weiter les ich heute Abend nicht mehr. Lass uns das Buch nur durchblättern." „Das sind ja über 260 Seiten!" staunte Anders. „Wenn Du die nur so langsam entziffern kannst wie das Titelblatt, dann bist Du ja in einem Jahr noch nicht fertig." „Wenn ich mich erst an die Schrift und die altmodische Sprache gewöhnt habe, geht's bestimmt schneller. Aber Du hast recht. Heute wird's nichts mehr! Ich bin todmüde." „Hast recht Bobäle! Komm steck's weg."

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Vielen Dank fürs Lesen. Hoffentlich hat`s Spaß gemacht

Kommentare und Kritik sind willkommen.

Die andere Geschichte, die in der Nifty Non-English section erschienen ist, heißt KeYNamM. Weitere Stories, die auf Englisch erschienen sind, können unter Ruwen Rouhs in Prolific Net Authors gefunden werden.

 Ruwen Rouhs

ruwenrouhs@hotmail.de

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