Selbstverschweinung

By Jens van Nimwegen

Published on Jul 22, 2010

Gay

Angefangen hatte es also damals mit diesen Ausflügen im Ruhrgebiet, halbnackt, in Gummistiefeln allen Blicken ausgesetzt. Eines Tages war ich sicher, dass ich immer als Schwein leben wollte, ohne Rückweg ins Bürgerliche. Immer nackt, oder jedenfalls nackter als üblich. Im Besitz nur weniger Kleidungsstücke, alle so ausgesucht, dass sie meine perverse Geilheit erregen und jedem zeigen, was ich bin. Ketten und Ringe, die mich immer meinen Schweinekörper fühlen lassen. Mein Hirn immer, ununterbrochen, eine Einheit mit meinem Schwanz. Und das zusammen mit anderen Schweinen und solchen, die eines werden wollen oder sollen. Wie Rotz, der Punker. Wie Drexau.

Also erst mal alles verkaufen bis auf die paar Schweineklamotten. Einen perversen Roman schreiben, der monatlich etwas Geld einbringt. Sich herumtreiben in Berlin, die richtigen Leute kennenlernen. Ein meiner Art angemessenes Unterkommen suchen.

Alles ging ganz leicht, als ich in einer Kneipe mit dem Professor ins Gespräch kam. Er fand interessant, dass ich mit nicht mehr auf der Haut als Gummistiefeln und einer schlabberigen, ungefütterten Militärturnhose herinkam, und fragte mich aus. Er ist ein wirklicher Philosophieprofessor, beschäftigt sich aber auch praktisch mit Grenzgebieten des Lebens. So besitzt er eine Lederkneipe, einen sehr teuren Edelpuff mit Restaurant und einen Internetserver mit Pornograhie. Alles im Rahmen der Gesetze, aber alles ziemlich krass.

Er ist Eigentümer eines alten Fabrikskomplexes in Kreuzberg mit verschachtelten Hinterhöfen. Reizvoll sind die beiden Eingänge. Einer liegt an einer besseren Straße. Von dort aus erreicht man die Lederkneipe und über einen Hinterhof, auf dem man parken kann, das perverse Luxusrestaurant mit Puff. Es wird gern von reichen Ausländern besucht. In diesem Komplex wurde mein Stall eingerichtet, aber so, dass er nur vom rückseitigen Zugang erreichbar ist. Ich kann Männer mitbringen und Besuch empfangen, aber der Eingang zu mir ist sehr weit vom anderen Eingang entfernt: an der einen Seite des Blockes versperrt der Bahndamm den Weg, an der anderen muss man um ein Firmengelände herumlaufen. Die beiden Zugänge liegen also in verschiedenen Welten. Aber mein Stall grenzt an den Darkroom der Kneipe und an einen exklusiven Speiseraum des Resuaurants. In beiden Wänden sind halbdurchlässige Spiegel. In meinem Stall weiß man nie, wer einen beobachtet. Und man kann sich nicht verstecken, auch nicht beim Scheißen und Wixen. Dieser Gedanke des Professors machte mich sofort geil, und der entsprechende Umbau war nach ein paar Wochen fertig.

Wer weiß, welche Luxustucken oder Ölscheichs an weiß gedeckten Tischen Austern geschlürft haben, während ich gestern mit Rotz und Drexau rumsaute und wir uns einpissten? Oder während ich mich neulich vor dem Ausgehen vollspritzte? Ich will es nicht wissen, aber ich höre gern, dass auf diese Weise auch noch Geld reinkommt. Vor allem hoffe ich, dass somehr Männer sich trauen als Schweine zu leben.

In meinem Stall hängen auch überall Kameras. Die Bilder werden verkauft. Je nachdem, wie viel man zahlt, bekommt man gespeicherte Aufnahmen von allerlei Situationen zu sehen, oder man kann live zuschauen. Wer sehr viel zahlt, darf von seinem PC irgendwo auf der Welt aus die Kamera unter der Decke steuern. Wir finden es geil, wenn sie sich herumdreht und einzoomt. Aber wir schauspielern nicht. Der Professor verlangt das auch nicht. Wir dürfen wir selbst sein und machen, was wir wollen, notfalls gar nichts. Meistens denken wir gar nicht an die Kameras und Wände.

Das Wissen, dass viele Perverse meine Schweinefresse kennen und wissen, wie ich lebe, lässt mein Adrenalin kreisen. Wer, weiß, welcher Blick auf der Straße oder im Tiergarten ein Kennerblick ist?

Nach einem Besuch im Restaurant hat ein Freund des Professors sein Lustobjekt Drexau für einen Sommer hergeschickt. Er hält sich Drexau in seinem Ferienhaus, findet aber bei ihm trotz aller Versautheit noch Reste von Scham. Er selbst konnte ihn nicht weiter abrichten, und als er für drei Monate nach Amerika musste, hat er Drexau nach Berlin geschickt, nur in Gummistiefeln, Gummishorts, dem Shirt "living in piss", mit einer Dauerkarte für die S-Bahn und seinen Personalausweis. Kein Geld. Auf meinen Vorschlag hin sind Fahrkarte und Ausweis hinter durchsichtigem Gummi innen in der Gummihose befestigt, über der Schwanzwurzel. Drexau muss bei einer Kontrolle die ohnehin kurze Hose umklappen.

Drexau soll von mir lernen. In der Öffentlichkeit müssen die letzten Reste von Scham abtrainiert werden. Er hat außerdem den Auftrag, sich wie auch immer Geld zu verdienen, damit ganz groß MANIMAL quer über seinen Rücken tätowiert wird.

Warum MANIMAL bei mir nur im Nacken steht und nicht groß auf den Schultern? Weil ich noch nach dem Entwurf für eine Ganzkörpertätowierung suche.

Auf einem Bild von Bastille hat ein Schwein eine Schlange auf dem Unterleib. Wenn das Schwein eine kurze Hose trägt, ist ein Stück sichtbar, das sich um sein rechtes Bein schlingt. Wenn es eine Hose, aber kein Hemd trägt, sieht man ein Stück um den Bauchnabel. Je knapper die Bekleidung ist, desto deutlicher wird, dass der Kopf der Schlange die Eichel des Schweines ist. Je mehr man sieht, desto mehr ahnt man, wie obszön das Tattoo ist. So etwas will ich auch, aber dann bis zum Hals. Auch im Winter soll etwas aus dem Kragen der Lederjacke ragen und neugierig machen. Bei offener Jacke soll es vielversprechend auf der Brust sichtbar sein. So ähnlich wie bei Logan, bei dem die Ausläufer sogar bis auf die Stirn ragen und sich nicht ganz von seinen Haaren bedecken lassen. Wenn man Logan im Anzug sieht, fällt erst beim zweiten Blick auf, dass sein Schädel tätowiert sein muss, und man fragt sich, wo es aufhört. Was ich brauche, soll genau so schön sein und den ganzen Körper umschlingen und hervorheben wie bei Logan, aber verdorbener.

Und wenn ich mal zum Arzt muss oder ins Krankenhaus? Na, dann sollen die entweder glotzen oder geilen.

Aber noch ist es nicht so weit. Nur im Nacken steht MANIMAL.


Dies war die Exposition. Es geht weiter mit mehr SM.

Der Autor hat keine Ahnung, wer dies liest und wie es gefällt. Der Autor ist dankbar für jede Form der Rückmeldung oder Anregung. Kontakt:

http://verschweinung.manimal.eu/blog

Hier sind auch Bilder zur Erläuterung zu sehen; es gibt ein Diskussionsforum, den erwähnten Roman und vieles mehr.

Jens van Nimwegen

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